Das Mittelalter
Auf dieser Seite versuche ich in einem kurzen Abriss auf die wichtigsten Merkmale des Mittelalters und des Rittertums einzugehen. Den Anfang bildet ein historischer Zeitrahmen, dem sich ein Abriss bäuerlichen und ritterlichen Lebens anschließt.
Das europäische Mittelalter
wurde durch drei Elemente wesentlich geprägt: die christliche Kirche und deren
Machtentfaltung, die germanische Herrschaftsform und die römische Kultur und
Sprache.
Als die Germanen in Italien das Langobardenreich gegründet hatten, sahen sie
sich als Erben des alten Imperiums. Ihre Kultur wurde jedoch allmählich besiegt
und in die Strömungen der römischen eingeschmolzen.
Im Norden schufen sie einen fränkischen Staat (mit dem Schwerpunkt auf den
linksrheinischen Gebieten) mit germanisch typischen Machtverhältnissen von König
und Adel auf der wirtschaftlichen Basis der Grundherrschaft (später Lehnswesen).
Die römisch-katholische Kirche, die antikes Kulturgut in sich trug, suchte nach
dem Zerfall des Römischen Reiches Rückhalt, den sie bei den inzwischen überaus
mächtig gewordenen Franken fand: König Chlodwigs Übertritt zum
römisch-katholischen Glauben verband das Alte mit dem Neuen zu einer gestärkten
Einheit. So entstand das fränkische, kirchlich geprägte Kaisertum als dritte
Macht neben Byzanz und später dem Islam.
Den germanischen Staatengründungen in Westeuropa folgten die Besiedelungen im
Osten: Die Slawen drangen bis Elbe und Saale vor und bevölkerten außerdem den
Balkan. Obwohl kulturell noch wenig entwickelt, traten sie neben Germanen- und
Romanentum als eine Europas Entwicklung mitbestimmende Macht hervor.
Frühmittelalter
468 n.Chr. | Die Franken gründeten durch Chlodwig (482-511) ein Königreich. |
486 n.Chr. | Sieg der Franken über die Alemannen und Westgoten, wonach das Reich fast das gesamte Gebiet des heutigen Frankreichs umfasste. |
498 n.Chr. | Übertritt König Chlodwigs zum katholischen Glauben. Die Kirche erwuchs zur politischen Stütze des Reiches. |
511 n.Chr. | Nach dem Tode Chlodwigs wurde das Reich unter seinen vier Söhnen aufgeteilt. |
531 n.Chr. | Die Merowinger eroberten Thüringen und unterwarfen das Burgunderreich. |
539 n.Chr. | Sieg der Merowinger über die Ostgoten. |
614 n.Chr. | Die größten Länder des Reiches der Franken wie Austrien, Neustrien und Burgund erhielten Verwaltungsautonomie. An die Spitze der königlichen Hofverwaltung traten Adelige, sog. Hausmeier (major domus). Durch Machtansprüche der Hausmeier und daraus folgende innere Wirren begann der Zerfall des merowingischen Staatswesens und begünstigte den Aufstieg der Karolinger. |
687 n.Chr. | Pippin II. der Mittlere (Regierungszeit 679-714) weitete die Macht der Karolinger aus und wurde als Majordomus von Austrien nach kriegerischen Auseinandersetzungen Hausmeier des Gesamtreiches. Sein unehelicher Sohn Karl Martell (Regierungszeit 714-741), ebenfalls Majordomus, führte das Reich wieder zusammen und unterwarf die Alemannen und Thüringer. |
732 n.Chr. | Karl Martell besiegte in der Schlacht von Tours und Poitiers die inzwischen nach Europa über Spanien vorgedrungenen Araber. Kurz vor seinem Tode teilte er das Reich unter seinen Söhnen auf: Karlmann (Regierungszeit 741-747) erhielt den Osten des Reiches mit Austrien, Schwaben und Thüringen, Pippin III. der Jüngere bekam mit Neustrien, Burgund und der Provence die westlichen Landesteile zugesprochen. |
751 n.Chr. | Pippin III. von den Franken zum König gewählt. Er ließ sich auf Anraten des Papstes als erster fränkischer König mit dem heiligen Öl salben. Damit erkannte er die geistige Herrschaft des Papstes an. |
768 n.Chr. | teilte Pippin das Frankenreich unter seinen Söhnen Karl (der Große) und Karlmann, der 771 stirbt, auf. |
Ab 768 n.Chr. | führte Karl der Große erfolgreiche Kriege gegen die Langobarden und die germanischen Stämme im Norden und unterwarf und christianisierte diese. |
800 n.Chr. | Kaiserkröhnung Karls des Großen in Rom durch Papst Leo III. |
814 n.Chr. | regierte nach dem Tode Karls sein Sohn Ludwig der Fromme (bis 840). Durch die Nachgiebigkeit Ludwigs gegenüber der Kirche und dem Adel entstand ein Rückgang der Zentralmacht des Frankenreiches. |
843 n.Chr. | Reichsteilung: Im Vertrag von Verdun wurde das Reich Karls des Großen unterteilt in ein Mittel-, Ost- und Westreich. Kaiser Lothar I. (840-855) erhielt das Mittelreich mit den Kaiserstädten Aachen und Rom, Ludwig der Deutsche (843-876) das Ostfrankenreich, Karl II., der Kahle (843-877) das Westfrankenreich zugesprochen. |
870 n.Chr. | Aufteilung des Mittelreiches mit Lothringen, Burgund, der Provence und Italien auf das Ost- und Westfrankenreich. |
ab 871 n.Chr. | wurde England von angelsächsischen Königen regiert, die aus den skandinavischen Normannen hervorgingen. |
Hochmittelalter
919 n.Chr. | Heinrich I. zum König von Franken und Sachsen gewählt. Erstmalige Verwendung des Namens "Reich der Deutschen". Er führte heftige Kämpfe gegen die Dänen, Ungarn und heidnischen Slawen zwischen Elbe und Oder. |
936 n.Chr. | Ernennung Otto I. (Sohn Heinrichs) zum König. |
962 n.Chr. | Krönung Ottos (des Großen) vom Papst zum Römischen Kaiser. |
Um 1000 n.Chr. | Entdeckung der Nordostküste Amerikas durch die von Island aus begonnenen Osebergschiffahrten der Wikinger. |
1024 n.Chr. | Auf die sächsischen Ottonen folgten mit Konrad II. die fränkischen Salier, die das deutsche Reich nach Osten und Westen erweiterten. |
1096 n.Chr. |
Beginn der Kreuzzüge. Die von dem Araber
Mohammed in Mekka 630 begründete Religion des Islams wurde zur Bedrohung für
Byzanz. Da sich auch die heiligen Stätten des Christentums in Jerusalem in
den Händen der Araber befanden, rief Papst Gregor VII. zum Kreuzzug auf. Das Ziel der Kreuzzüge, den Islam niederzuwerfen, wurde jedoch nicht erreicht und scheiterte an den nationalen Interessen der beteiligten Ritterschaften. 1096-1099 Erster Kreuzzug (15.7.1099
Erstürmung Jerusalems) Folge der Kreuzzüge waren die Gründung von Ritterorden (Johanniter und Deutscher Orden). |
987-1259 n.Chr. | Kapetinger-Könige in Frankreich |
1066 n.Chr. | Nach der siegreichen Schlacht bei Hastings wurde England von französischen Normannen unterworfen. Auf Wilhelm den Eroberer (1066-1087 König von England) folgten bis 1272 mehrere Könige, darunter der dänische Wikinger Knut der Große. Aus angelsächsischen und normannisch-romanischen Elementen auf keltischer Grundlage formte sich die englische Nation. |
1125-1190 n.Chr. | Deutsches Reich der Staufer-Könige |
1158 n.Chr. | Regierungsbeginn Kaiser Friedrich I. Barbarossa. Unter ihm erreichte die Stauferzeit ihre Blüte in Baukunst, höfischer Ritterkultur und Wissenschaft (um 1200 Gründung von Universitäten in Paris und Bologna). |
1215 n.Chr. | Magna Charta (libertatum) in England: König Johann ("ohne Land") verbriefte das Widerstandsrecht der Barone gegen den englischen König. Die Magna Charta gilt als Grundstein der englischen Verfassung. |
1227-1254 n.Chr. | Erbitterter Machtkampf der Staufer mit dem Papsttum, der mit dem Tod des Stauferkönigs Friedrich II. im Jahre 1250 endet. Sein Tod beendete gleichzeitig die Stauferepoche. |
um 1250 n.Chr. | Beginn der Inquisition, der Verfolgung von Menschen, die von den katholischen Glaubenssätzen abwichen, als Ketzer sowie deren Folterungen und Verbrennungen. Im Laufe der Zeit mehrere Millionen Opfer. |
Spätmittelalter
1273-1291 n.Chr. | Rudolf I. von Habsburg König des Deutschen Reiches als erster Herrscher der Habsburger. |
1309-1377 n.Chr. | Das Papsttum geriet nach seinem übersteigerten Machtanspruch - zuletzt unter Papst Bonifaz VIII. (1294-1303) in völlige Abhängigkeit von Frankreich. Fast siebzig Jahre bestand eine Schattenherrschaft der Päpste in Avignon weiter ("Babylonische Gefangenschaft der Kirche"). |
1328-1498 n.Chr. | Regierung von Königen aus dem Hause Valois, einer Nebenlinie der Kapetinger. Unter ihrem ersten Repräsentanten Philipp VI. (1328-1350) begann |
1339 n.Chr. | der Hundertjährige Krieg Frankreichs mit England, der mit Unterbrechungen bis 1453 dauerte. Er wurde ausgelöst durch Erbansprüche Eduards III. an den französischen Thron und endete mit der wirtschaftlichen Ausblutung beider Länder. |
Um 1350 n.Chr. | Beginn der Blütezeit der Hanse, ein Zusammenschluß nordeuropäischer, vorwiegend deutscher Städte, zur Sicherung von Handel und Schiffahrt. Die Kolonisation des Ostens steigerte den Warenaustausch (Rohprodukte aus dem Osten, Fertigwaren aus dem Westen). Die Städte erhielten Selbstverwaltungsrechte und damit starken politischen Einfluß. Es wurden Verkehrsverbindungen ausgebaut, so daß sich auch der Landhandel über die Landesgrenzen hinaus entwickeln konnte. Neben dem feudalistischen Adelsstand entstand allmählich das Bürgertum. |
1356 n.Chr. | Die goldene Bulle regelte die Königswahl durch drei geistliche und vier weltliche Reichsfürsten. Krönungsort war von 936 bis 1531 Aachen, dann Frankfurt. |
1280-1368 n.Chr. | herrschten in Außereuropa die Mongolen vor und unterhielten ein Weltreich mit Zentrum in China. Eine westasiatische Machtballung der Mongolenzeit war das Reich der "Goldenen Horde". In den Teilfürstentümern, die von den Mongolen in Rußland beherrscht wurden, entwickelten sich Gegenströmungen mit dem Zentrum Moskau. |
1328-1341 n.Chr. | Beginn der "Sammlung der russischen Erde" durch Iwan I. mit langsamer Ausdehnung. Die erfolgreiche Verdrängung der Goldenen Horde fand jedoch erst 1502 statt. |
1410 n.Chr. | Niederlage des Deutschen Ritterordens gegen ein polnisch-litauisches Heer bei Tannenberg. Niedergang nach hoher wirtschaftlicher und kultureller Blütezeit im 14. Jahrhundert. |
1453 n.Chr. |
endete das oströmische Reich Byzanz nach über
tausend Jahren durch türkische Eroberung. Die Türken drangen nach der
Eroberung auf den Balkan vor. Die Folge der Eroberung von Byzanz war die Flucht vieler Gelehrter nach Italien. Sie brachten das Gedankengut des griechischen Altertums mit und begründeten so die Wiedergeburt der Antike, die italienische Renaissance. |
1455-1485 n.Chr. | In England bekämpften sich die Adelshäuser Lancaster (Wappen: Rote Rose) und York (Wappen: Weiße Rose) in den sogenannten Rosenkriegen, in denen die Zahl der Adeligen durch Ausrottung auf die Hälfte dezimiert wurde. |
1470 n.Chr. | Aufbau eines spanischen Reiches unter Isabella von Kastilien (1474-1504) und Ferdinand II. von Aragonien (1479-1516). Ausgelöst durch die streng katholischen Herrscher, fanden |
1481 n.Chr. | Höhepunkte der Inquisitionen statt. |
1493-1519 n.Chr. | versuchte Maximilian I. der inneren Zerrüttung des Deutschen Reiches (Fehdewesen, Raubrittertum) durch einen "Ewigen Landfrieden" zu begegnen. Er zeigte starkes Interesse an bürgerlicher Wirtschaft und Technik, förderte die aufkommende Artillerie und trug dazu bei, das Ritterwesen zugunsten der Landsknechte (mit Musketen bewaffnete Fußsoldaten) zurückzudrängen. |
Das bäuerliche Leben
"Als Adam pflügte und Eva spann, wo war denn da ein Edelmann?"
Vom Landbau nahm alle menschliche Tätigkeit und Kultur ihren Anfang. Vieh und Frucht waren die ersten Bedingungen des Lebens und erst wenn diese in genügendem Maße erworben waren, konnte man nach höherem, idealen Zielen streben.
Als sich die Wogen der Völkerwanderung legten und das altgermanische Volk sich friedlich auf seinem Grund und Boden festsetzen konnte, war der Landbau der feste Kitt, der die Gesellschaft zu einer großen Familie vereinte. Neben dem Landbau wurde auch die Jagd betrieben, schon darum, um seinen Viehbestand gegen den Raub der wilden Tiere zu sichern. Ungleicher Fleiß, Todesfälle und andere Ursachen störten bald die demokratische Gleichheit; einzelne Grundbesitzer bereicherten sich auf Kosten anderer, neben dem minder Begüterten saß ein Reicher. Alle aber waren freie, unabhängige Leute. Nach und nach wuchsen einzelne zu mächtigen Herren heran, an die sich die kleineren Grundbesitzer, insbesondere in Zeiten der Fehde oder des Krieges, zur eigenen Sicherheit anschlossen. Da die letzteren von den ersteren auf diese Art manchen Vorteil und Nutzen empfingen, so suchten sie sich diesen damit zu sichern, dass sie an die mächtigen Geschlechter ihres Gaues einen bestimmten Zins entrichteten. Sie blieben aber freie Grundbesitzer.
Je größeren Bodenbesitz der Reiche erwarb, desto mehr Arbeitskräfte brauchte er zu dessen Bebauung. Er nahm darum Knechte und Mägde auf, die er aus der Schar der Verarmten oder Verschuldeten warb, denen er die im Kriege erbeuteten Gefangenen zugesellte. Alle diese waren leibeigen. Manchen dieser Unfreien schenkte oder lieh der reiche Grundherr zu eigener Verwendung ein Stück Land, um sich dessen Arbeit für seine Felder zu sichern. So entstanden die Fronen. Außerdem traten in ein abhängiges Verhältnis zu dem reichen Grundherrn verschiedene Handwerker, wie Schmiede, Schwertfeger, Müller und andere, welche hoffen konnten, unter dem Schutze eines Mächtigen ihr Gewerbe friedlich und einträglich betreiben zu können.
Seit den Kreuzzügen kam in die Adern der reichen Grundbesitzer ein neues Element hinein, das eine mächtige Scheidewand zwischen diesen und den niederen, kleineren Grundbesitzer aufstellte. Während diese in der friedlichen Arbeit des Feldes ihren Beruf erkannten, glaubte der zum Ritter gewordene Herr mit seinen Reisigen im wilden Kampfe des Krieges seine Bestimmung gefunden zu haben. Poesie verklärte diese blutige Arbeit und nun stehen sich Burg und Dorf in meist feindseligem Gegensatz gegenüber. Stolz sieht der Ritter von den Zinnen seiner festen Burg auf das Land und dessen Leute herab, erbittert und feindselig betrachtet der Bauer die festen Mauern, durch deren Tore die übermütige Gesellschaft zur Jagd ausreitet und ohne Erbarmen über die Saaten seiner Äcker dahin braust, den Segen eines Jahres mit den Hufen der Rosse zerstampfend. Jahrhundertelang dauert diese wechselseitige Feindseligkeit der beiden Stände, bis sie in der Kultur der Neuzeit ihre Versöhnung gefunden hat.
Der freie reiche Grundbesitzer saß in alter Zeit in stolzer Behäbigkeit auf seinem Grund und Boden. Wenn die Ernte seiner Felder reich ausgefallen ist, wenn die Haustiere gedeihen, keine Pest das Land heimsucht, so ist er ein gemachter Herr, wenn ihm der Adel auch diesen Titel nicht zuerkennt. Freilich legt er auch selbst überall mit Hand an und schämt sich der Arbeit nicht, auch wenn er über viele Knechte gebietet. Dies gilt insbesondere für einzelne Landstriche, wie die Schweiz, in den Marschen der Nordsee, auch in der Ostmark, kurz in den Ländern, wo der Adel nur spärlich hauste und nicht mit vereinter Kraft auf ihn einen harten Druck ausüben konnte. Es dauert freilich nicht lange diese Herrlichkeit, denn die Gesetze der Könige legten ihm verschiedene und große Lasten auf und wo diese nicht zu erschwingen waren, drohte ihm das Gesetz mit harten Strafen und oft ging die Frucht seines Fleißes eines ganzen Jahres in Kassen, aus denen ihm nichts zu holen möglich war.
Da gab es Zehnten, Waffendienst, Lieferungen und Vorspann bei Reisen des Königs und seiner Beamten. Da fand der Bauer kein Erbarmen, kein Recht und wenn er sich wehren wollte, wurde er selbst körperlich hart gequält. Es musste die Bedrängnis schon einen hohen Grad erreicht haben, wenn sie ihn zur offenen Empörung gegen seine Peiniger entflammen konnte. Und diese wäre im 16. Jahrhundert kaum von solcher Ausdehnung gewesen, wenn sie nicht das Beispiel, der glücklich ausgefallene Aufstand der Schweitzer gegen ihre Zwingherrschaft ermutigt und mit Hoffnung auf einen ähnlichen Erfolg erfüllt hätte.
Wie traurig es in deutschen Dörfern zu Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts ausgesehen haben mag, ersehen wir aus der Schilderung des Bauernlebens, die sich in der Kosmographie von Sebastian Münster findet. Da heißt es: "Der viert Standt ist der Menschen, die auf dem Felde sitzen, und in Dörffern, Höfen und Wylerlin (Weilern), und werden genannt Bawern, darumb das sie das Feld bauwen. Diese fürn ein gar schlecht und niederträchtig (erbärmliches) Leben. Es ist ein jeder von dem andern abgeschieden und lebt für sich selbst mit seinem Gesind und Vieh. Ihre Häuser sind schlechte Häuser von Kot und Holz gemacht und mit Strow gedeckt. Ihre Speiß ist schwarz ruken (Roggen) Brot, Haberbrei oder gekocht Erbsen und Linsen. Wasser und Molken ist fast ihr Trank. Ein Twilchgippe, zwen Buntschuch und ein Filzhut ist ihre Kleidung. Diese Leut haben nimmer Ruh. Früh und spat hangen sie der Arbeit an. Sie tragen in die nechste Stadt zu verkauffen, was sie Nutzung überkommen auf dem Feld und von dem Vieh und kauffen ihn dagegen was sie bedörffe. Ihren Herren müssen sie oft durch das Jahr dienen, das Feld bawen, säen, die Frucht abschneiden und in die Schewer führen, Holz bawen und Gräwen machen. Was solch harte Dienstbarkeit in dem armen Volk gegen ihren Obern bringe, ist man in kurz verruckten Jaren wol innen worden."
Mit der letzten Bemerkung sind die Bauernkriege gemeint. Sebastian Frank nennt in seinem Weltbuch vom Jahre 1534 die Bauern "ein seer arbeitsam Volk, das mit fronen, Zinsen, steuern, zöllen hart beschwert und überladen ist, ein wild hinterlistig ungezempt volk." Letzteres hartes Urteil ist offenbar unter dem Eindrucke der Bauernkriege niedergeschrieben worden. Münster ist gerechter, da er die Ursache, die harte Bedrückung, nicht verschweigt.
Sehen wir uns nun die Behausung und das Leben in den Bauerhütten an. Als Grundform eines Bauernheims ist ein eingezäunter Hof zu nehmen, in dem sich die Wohn- und Wirtschaftsräume vereinigt befinden. In der Zeit vor Karl dem Großen, als die Landwirtschaft noch sehr danieder lag, waren auch die bäuerischen Behausungen sehr elend. Einzelne haben sich bis zum 16. Jahrhundert in ihrer ärmlichen Gestalt erhalten; es waren dies die Hütten der Armen. Das Haus war aus Baumstämmen roh zusammengezimmert, die Fugen füllte man mit Lehm aus und deckte das Ganze mit Stroh.
Die ältesten Hütten hatten keine Fenster, um der Kälte des Winters zu wehren; die Bewohner derselben waren genötigt, auch ihre Haustiere in dieselben aufzunehmen. Als sich der Landbau (im 10. Jahrhundert) zu entwickeln begann, nahmen auch die Bauernhäuser eine menschenwürdigere Gestalt an. Das eigentliche Wohnhaus erhielt neben einem umfangreichen Gemache, in dem sich die Familie versammelte, mehrere Nebenräume, die zu Schlafstätten oder Vorratskammern dienten. Wir finden hier also eine Nachbildung des Schlossgebäudes in alten Burgen, nur dass man das große Gemach nicht einen Saal nennen kann. An dieses Wohngebäude schlossen sich die Stallungen, Getreidekammern und andere Wirtschaftsräume an. Da diese Bauernhöfe ursprünglich in Verbindung mit den zu ihnen gehörigen Äckern standen, so bildeten sie abgesonderte Weiler und wenn sich später auch Hütten der Ärmeren in ihrer Nähe anpflanzten, so nahm man doch nie in der Anlage Rücksicht auf das Bestehende. Jeder stellte sein Haus nach Gutdünken, wie es ihm eben passte, dahin und diese Willkür der Anlage ist allen alten Bauernhöfen eigen und hat sich bis auf die Gegenwart vererbt.
Im Frühmittelalter begannen die Bauern neben ihrem Besitztum auch Obstgärten anzulegen, in einzelnen Gegenden, wie an der Mosel, am Rhein, auch Weinberge. Auf den Äckern wurden die gewöhnlichen Getreidearten unserer Zone, Weizen, Roggen, Gerste und Hafers angebaut, daneben auch Erbsen, Linsen, Rüben, Bohnen und Flachs. Von Zuchttieren werden neben Schafen auch Schweine, Rinder und Pferde genannt. Hühner, Gänse und Enten vermehren den Bestand der Haustiere.
Wenn keine Hungersnot war, keine Pest, kein Misswachs, keine Kriege das Land heimsuchten, so war der Anblick eines reichen Bauernhofes immerhin ein recht erfreulicher. Leider dezimierten oben angegeben Lasten bedeutend diesen Segen.
Bei allem Reichtum des Ertrages, der Frucht harter anstrengender Arbeit, war der Bauer genötigt, recht erbärmlich zu leben und das Geflügel, dass er zog, der Nutzen, den Kühe, Bienen und Schafe brachten, musste nach auswärts wandern und er mit dem geringen Überschuss vorlieb nehmen. Gerstenbrei, Kraut, Erbsen und Linsen, zuweilen ein Stück Fleisch, das waren die fast alltäglichen Speisen, welche auf den Tisch des reicheren Bauern kamen. Wie armselig mag erst die Kost der Unbemittelten gewesen sein.
Auch die Tracht war ärmlich; schon ein Gesetz Karls des Großen schrieb den Bauern die Kleidung vor: Graue oder schwarze Röcke, rindslederne Schuhe. Während der Arbeit auf dem Felde konnten sie ohnehin einen langen Rock nicht brauchen. Aber das Gesetz war da, um übertreten zu werden; die armen Bauern konnten natürlich ihre Gewandung nicht oft wechseln und die reichen setzten sich über das Gesetz hinweg und unter diesen, besonders den jüngeren, gab es Stutzer, die ihre Kleider in ihrer Weise aufputzten, mit allerlei Stickereien versahen, so auch auf den Hauben gestickte Tauben oder Papageien anbrachten. Überdies hingen sie, wenn sie zum Tanz gingen, an den Staatsrock recht viel Schellen an. Es war den Bauern auch das Tragen von Waffen verboten, damit bei den üblichen Raufereien kein Menschenleben in Gefahr komme. Aber das Verbot machte die Bauern nach Waffen um so lüsterner und schon, um sich den Rittern und Vornehmen gleichzustellen, gehörte ein Schwert zu den höchsten Wünschen eines Bauernsohnes. So mancher verließ die väterliche Hütte und verdingte sich auf der Burg als Knecht, nur um das Schwert an der Seite tragen zu können.
Auch die Tracht der Bauernfrauen war einfach; Röcke von grobem Tuch, eine Jacke, ein Tuch, das den Kopf einschloss und die Tracht war fertig. Dass sich Bauernmädchen mehr aufputzten, ist natürlich; hierin blieben sich die Töchter Evas immer und überall gleich. Wir haben oben erwähnt, dass dem Bauern das wenigste von dem, was ihm die Landwirtschaft einbrachte, zum eigenen Verbrauch blieb. Dasjenige, was Zinsen und Fronen nicht verzehrte, ging in die Stadt, um hier auf dem Markt zu Gelde gemacht zu werden. Die Bauern sind die Proviantmeister der Städte. Da bringt der Bauer seine Kälber, Schweine, Gänse, Tauben und Hühner dahin; da wird er auch von der Bäuerin begleitet, welche Milch, Butter, Käse oder Eier hinschleppt, um mit dem Erlöse dafür Notwendiges fürs Haus einzukaufen.
Besaß der Bauer einmal Waffen, so war es ihm nicht genug, sie nur zu tragen, er wollte sie auch brauchen. In manchen Gauen lebte ein tapferer Geist; besonders wenn der Druck von oben zu stark war, erzeugte er Gegendruck und sollte er einmal sein Hab und Gut, seine Familie gegen den Feind verteidigen, so wusste er sich trotz einem Ritter mit seinen Knechten und Dorfgenossen zu wehren. In Kriegszeiten waren die Dorfbewohner der zuchtlosen Soldateska und ihrer Brandschatzung preisgegeben; ihre Stallungen wurden geplündert, sie selbst roh und grausam behandelt, das feste Schloss gegen Belagerer verrammelt und von daher keine Hilfe zu erwarten. Da griff der Bauer zu Waffen und auch zu Knütteln, Heugabeln, Dreschflegeln, Spaten und dergleichen, um sich zu verteidigen. Die Hunde seines Hofes halfen ihm dabei.
Das Raubrittertum mag den Bauern schließlich alle Geduld geraubt haben, dazu kamen Karlstadts Hetzereien und die missverstandene, schlecht gedeutete Lehre Luthers von der Geistesfreiheit des Menschen; sie hörten nur das Wort Freiheit und glaubten, jetzt sei ihre Zeit gekommen, sich von der vielhundertjährigen Last zu befreien. Wie groß muss die Ernüchterung gewesen sein, als sie endlich trotz tapferer Wehr unterlagen, um so größer, als die Sieger kein Mittel besaßen, die Unterdrückten zu versöhnen.
Indessen sind aus altdeutschen Dörfern nicht allein solche ernste und traurige Zustände zu berichten. Wenn Friede im Lande herrschte, so gab es auch Augenblicke, wo die Arbeit ruhte, die Sorge schwieg, Erholung des Tages Mühen. Besonders die Jugend ließ sich ihr Anrecht auf Vergnügen nicht verkümmern. Dieses Vergnügen war freilich kein idyllisch- zartes; für ein solches fehlte Verständnis und Empfänglichkeit.
So vereint der Sonntagnachmittag die Jugend unter der Dorflinde, die alten Mütter und Väter kommen auch herbei, um sich an den Spielen und dem Gesange der Jugend zu ergötzen. Da erscheint, wie gerufen, ein Fiedler und schon ist alles zum Tanz bereit. Bald ist der große Reihen geordnet, Tänzer und Zuschauer stimmen im Chor den Gesang an, zu dessen Rhythmus sich die Tanzenden im Kreise bewegen. Zuweilen wird der Tanz recht bewegt, sogar frei nach unseren heutigen Begriffen. Die Kirmesse bildet besonders die Gelegenheit zu den übermütigen Tänzen, wie auch die Hochzeitsfeste. Zu den wilden Tänzen wird insbesondere der Hoppeldei oder Hopelrei gehören; bei diesen zeigten die Burschen ihre Kraft, indem sie die Tänzerinnen hoben, dass diese die Röcke hinaufflogen und die Paare mit den Köpfen zusammenstießen. Neidhardt beschreibt oft die Bauernfestlichkeiten und deren Tänze.
Als im 14, Jahrhundert von Italien aus das Kartenspiel Eingang in deutschen Gauen fand und sich der deutsche Holzschnitt der Sache bemächtigte und die sonst mühsam gezeichneten Spielkarten mittels Druck vervielfältigte und darum ihren Preis erniedrigte, hatten auch die Bauern bald diese Art Glücksspiele gelernt und die Stunden der Ruhe mit denselben totgeschlagen. Die Obrigkeit mochte die Kartenspiele verbieten, soviel sie wollte, das Verbot gab dem Spiele größeren Wert und Reiz. Dass in der Natur des Spieles die Gefahr eines Zwistes und Streites lag, ist leicht begreiflich und alte Darstellungen legen darum auf dieses bedauerliche Finale den Nachdruck.
Die Kirchweih oder Kirmes (Kirmeß) war für den Bauer das größte Fest des Jahres; ein solches musste mit seinen Genüssen und Freuden ihn für alle Plagen des ganzen Jahres schadlos halten. Küche und Keller mussten den Tisch reichlich versorgen. Wie es bei einer Bauernhochzeit herging, darüber besitzen wir einen Bericht aus dem 14. Jahrhundert. Bei Kirmessen wird es nicht anders zugegangen sein. Der Hochzeitsschmaus begann mit Weißbrot, dann folgte Hirsebrei, Rüben mit Speck, Würste und Bratmus. Den folgenden Tag wird die Schmauserei fortgesetzt. Auch der Bauer will Abwechslung haben; es werden jetzt Erbsen mit Kraut, Gerste, Linsen und Würste aufgetragen. Das über Maß genossene Getränk macht die Festgenossen zanksüchtig, es kommt zum Streit, zur Schlägerei, zu Verwundungen. Nach der Menge der letzteren bemisst man den Glanz des Festes.
Der Bauernstand war von jeher konservativ; einmal eingewurzelte Gebräuche hielten sich jahrhundertelang fast ganz unverändert. Die Feste mit ihren Freuden nicht minder. Wir werden uns daher nicht wundern, wenn auch im 16. Jahrhundert eine Kirmes ganz dasselbe Bild bot, wie im 14. Jahrhundert Hans Sachs beschreibt recht drastisch eine Bauernkirchweih in Megeldorf, der er selbst (1528) beiwohnte und die in gleichem Charakter sich abspielte. Auch hier wieder am Schlusse beim Tanze wegen eines Bauernmädchens Streit und Kampf.
So war das Leben des deutschen Bauernvolkes mit seinen Leiden und Freuden beschaffen. So dämmerte es mechanisch dahin, denn nach der Ernüchterung, die den Bauernkriegen folgte, war aller Mut und somit jeder Versuch, sich das Leben menschenwürdiger zu gestalten, gebrochen. Erst der Überfluss an Bildung und Aufklärung, der sich in den Städten sich anhäufte, begann nach und nach auch über das Land tropfenweise zu fallen und die Verhältnissee zu einer besseren Daseinsform umzuwandeln. Einem Bauern oder Ökonomen heutigestages ist es nun freilich nicht anzusehen, dass er ein Urenkel jenes Geschlechtes ist, das nach Münster "ein so schlechtes und erbärmliches Leben" zu führen gezwungen war.
Das ritterliche Leben
Mit der Ausbreitung des Lehnswesens über Deutschland war der Adel an die Spitze der Nation getreten. Die Kriege wurden hauptsächlich durch ihn geführt; er kämpfte zu Ross und war dem Krieger, der nur zu Fuß diente, weit überlegen. Darum schätzte man ein Heer meistens nur nur der Zahl der Reiter. Zu den Zeiten Karls des Großen war das fränkische Reich bereits mächtig an eisengepanzerten Reitern, wie uns der Mönch Ekkehard vom Kloster St. Gallen erzählt; aber die inneren Kämpfe unter den nachfolgenden Karolingern hatte viele wehrhafte Männer hinweggerafft. Um die Zahl der berittenen Kämpfer zu vermehren, ordnete daher Heinrich der Vogelsteller zum Schutze gegen die reitkundigen Ungarn an, dass beim Heere nicht nur die Vornehmsten, sondern auch der älteste Sohn eines jeden Hofes zu Pferde erscheinen sollte. Der Dienst zu Ross aber erforderte einen größeren Aufwand und eine längere und anhaltendere Vorbereitung als der zu Fuß. Mit der Zeit bildeten daher die Reiter oder Ritter einen eigenen, besonderen Stand, der, obschon nicht immer mit Länderbesitz verbunden, doch ein hohes Ansehen genoss.
Die Aufnahme in den Ritterstand erforderte eine vieljährige Vorbereitung. Der Sohn eines Ritters blieb bis zum siebenten Jahr unter der Obhut der Mutter, die außer der leiblichen Pflege namentlich dafür sorgte, das die ersten Begriffe von Gott und der christlichen Religion in das kindliche Gemüt gepflanzt wurden. Dann kam er an einen fremden Hof, um hier gemeinsam mit anderen Knaben in strenger Zucht sich das anzueignen, was für einen Ritter erforderlich war. Die feine, höfische Sitte lernte er besonders in der unmittelbaren Nähe der Edelfrau; bis zum vierzehnten Lebensjahr war er als Edelknabe ihrem Dienste gewidmet. Zugleich ward er von Geistlichen, fahrenden Sängern oder altbewährten Knappen in den Kenntnissen und Fertigkeiten unterrichtet, welche die höhere Bildung der damaligen Zeit ausmachten. Von großem Umfange freilich war diese Bildung nicht; sie beschränkte sich hauptsächlich auf die Kenntnis der biblischen Geschichte und die Kunde von den Sagen und Begebenheiten der Vorzeit; vor allen Dingen aber waren es Musik, Gesang und Saitenspiel, worin der junge Ritter unterrichtet wurde. Schreiben und Lesen dagegen waren nicht allgemein verbreitete Fertigkeiten. Ein der Hauptaufgaben des Edelknaben war, seine körperliche Kraft und Gewandtheit auszubilden. Er übte sich täglich im Laufen und Springen, lernte Reiten und Schwimmen, schoß mit der Armbrust, warf den schweren Stein und übte sich im Gebrauch des Schildes, des Schwertes und der Lanze.
Im dritten Lebensabschnitt, vom vierzehnten bis zum einundzwanzigsten Lebensjahr, nahmen diese Übungen einen weiteren Umfang an. Der Edelknabe vertauschte jetzt den Dienst der Dame mit dem des Ritters; er wurde durch Umgürtung mit dem Schwerte wehrhaft gemacht und trat in den Stand der Knappen. Nun lernte er die verschiedenen Jagdkünste, Vögel und Hunde abzurichten, mit dem Falken zu jagen, dem Hirsch zu verfolgen, ihn zu fällen und jagdgerecht zu zerlegen. Er lernte das Hifthorn blasen, und was sonst alles zu einem ritterlichen Jägersmann erforderlich war. Gleichzeitig war er der Waffenträger des Ritters; er sorgte für die Reinhaltung und den Glanz der Rüstung und Waffen, beaufsichtigte die Rüstkammer, besorgte die Pferde des Herrn, begleitete ihn auf die Jagd, zum Turnier und in den Krieg. In der Schlacht blieb der Knappe in der Nähe seines Herrn, um ihm im Fall der Not zugleich zur Hand zu sein. Seinem Herrn in einer Schlacht Freiheit und Leben gerettet zu haben, war des Knappen höchster Ruhm. Daneben ward die Pflege des Geistes und des Herzens keineswegs vernachlässigt. Er suchte seinem Herrn in allen ritterlichen Tugenden unwandelbar nachzuahmen. Hatte er sich darin bewährt, so nahte sich mit seinem einundzwanzigsten Jahr die Zeit, wo er durch den Ritterschlag in den Ritterstand aufgenommen wurde.
Wenn nicht nach einer gewonnenen Schlacht oder nach einer besonders tapferen Tat der Knappe an Ort und Stelle ohne weitere Vorbereitung zum Ritter geschlagen wurde, geschah es meistens bei besonders festlichen Gelegenheiten. Der Knappe musste sich durch Fasten und Beten, sowie durch den Genuss des heiligen Abendmahls auf die feierliche Handlung vorbereiten. Ein Gottesdienst leitete die Feier ein, wobei der Geistliche das dem Knappen zu verleihende Ritterschwert weihte. In weißer Kleidung nahte sich dieser dann dem Ritter, der ihm den Ritterschlag erteilen sollte. Jeder Ritter konnte die Ritterwürde verleihen; am liebsten empfing man sie vom Könige oder von anderen fürstlichen Personen. Nachdem der Knappe niedergekniet war, wurden ihm die Rittertugenden vorgehalten, deren er sich zu befleißigen hatte: die Wahrheit zu reden, das Recht zu beschützen, die Religion samt ihren Häusern und Dienern, die Schwachen und Wehrlosen, die Witwen und Waisen zu beschirmen, keinen Schimpf gegen Edelfrauen zu dulden und die Ungläubigen zu bekämpfen, dem Kaiser und seinem Stellvertreter zu gehorchen, demütig in Glück und standhaft im Leiden zu sein. Wenn der Knappe diese Gelübde mit einem feierlichen Eide beschworen hatte, empfing er mit den Worten: Im Namen Gottes, des heiligen Michael und des heiligen Georg mache ich dich zum Ritter!" mit der Fläche des Schwertes drei Schläge über die Schulter oder den Rücken, vielleicht eine Andeutung, dass dies die letzte Beleidigung sei, die er gesetzmäßig dulden dürfe. Sodann wurden ihm die einzelnen Stücke der ritterlichen Rüstung angetan: die goldenen Sporen, das Panzerhemd, Harnisch und Helm. Ein Pferd wurde ihm vorgeführt, und in dem nun folgenden Turnier konnte er seine neue Würde bewähren.
Die Bewaffnung des Ritters bestand aus Panzer, Helm, Schild, Speer und Schwert. Die früheste Form des Panzers war die Brünne. Anfangs bestand sie nur aus einem kurzen Rock von Leder oder starkem Zeug, worauf Schuppen oder Ringe aus Metall genäht waren, und deckte nur Rumpf und Oberarm. Später fügte man die Ringe ohne Unterlage zusammen und nannte dies Geflecht Kettenpanzer. Noch später trat an die Stelle des Ring- oder Kettenpanzers der Plattenharnisch, dem Bein- und Armschienen angefügt waren, so dass der ganze Körper geschützt war. Zur Zeit der Hohenstaufen kam die Sitte auf, bei festlichen Gelegenheiten über der Rüstung den sog. Wappenrock zu tragen, ein schönes, seidenes mit Gold durchwirktes und mit Edelsteinen besetztes Gewand, das von Frauen und Jungfrauen zierlich und mit großer Geschicklichkeit gearbeitet war. Zum Schutz des Kopfes diente der Helm. Anfangs nur eine runde Kappe aus Eisenblech mit einem über die Nase hinabreichenden Eisenstreifen, einem umgestülpten Topfe nicht unähnlich, nahm der Helm später eine gefälligere Form an und erhielt das Visier, einen Eisenring, der vor dem Gesicht zurückgeschoben und niedergelassen werden konnte. Man schmückte den Helm mit besonderen Zierraten, den Wappenzeichen des Ritters, Federbüschen, Tüchern u. dgl., die man von einer Dame als Geschenk oder im Turnier als Preis erhalten hatte. Auch das Ross des Ritters war oft teilweise gepanzert, wenigstens an Kopf und Brust. Auf dem Kopfe trug es einen Federbusch, und eine reichgestickte Decke hüllte es zum größten Teil ein.
Die Schilde bestanden aus Holz, das mit starken Leder überzogen war. Außerdem waren sie mit festen Eisenbeschlägen versehen. In der Mitte war ein stark vortretender Buckel angebracht. Die Gestalt des Schildes war dreieckig, schmal, nach unten spitz zulaufend. Während die Schilde des zwölften Jahrhunderts über einen Meter hoch waren, änderte sich die Gestalt im dreizehnten Jahrhundert; sie wurden kleiner, aber breiter. Die Vorderseite des Schildes war bemalt, und zwar mit dem Wappen des Ritters. Da letzterer meistens vom Kopf bis zu Fuß in Eisen gekleidet war, so dass er vollständig unkenntlich wurde, musste er ein äußeres Erkennungszeichen haben. Hierzu wählte man das Bild eines Löwen, eines Drachen u. dgl. Diese Bilder waren auf den Schilden angebracht, und daraus entsprangen die Wappen. Jeder Schild hatte zwei Farben, eine Grundfarbe und die Farbe der aufgetragener Figur. Die fränkischen Schilde waren weiß und rot, die schwäbischen rot und gelb, die sächsischen schwarz und weiß. Das Wappen brachte der Ritter auch wohl auf seinem Helm, seinem Banner und über seinem Burgtore an.
Ungefähr gleichzeitig mit dem Wappenzeichen entstanden auch die Namen der Ritter. Früher war jedermann nur bei seinem Vornamen genannt worden: Rudolf, Gottfried usw. Jetzt kamen die Geschlechtsnamen hinzu, die meistens von den Burgen und Besitzungen der Ritter entlehnt wurden, wie Rudolf von Habsburg, Gottfried von Bouillon usw. Schließlich wurde das Wörtchen "von" überhaupt als Zeichen ritterlichen und adeligen Standes angesehen und später bei Erhebung in diesen Stand dem bürgerlichen Familiennamen vorgesetzt.*1
Die Hauptwaffe des Ritters war das Schwert. Die alten Ritterschwerter waren den Rüstungen angepasst: lang, breit, schwer, mit doppelter Schneide. Der Griff war häufig mit Gold und Edelsteinen geschmückt. Die Schwerter berühmter Helden trugen oft besondere Namen; so hieß Siegfrieds Schwert Balmung; Rolands Schwert führte den Namen Durendart.
Die eigentliche Kriegswaffe, der Speer oder die Lanze, wurde nur in die Hand genommen, wenn es in die Schlacht oder zum Turnier ging. Der Speer bestand aus einem hölzernen Schaft, gewöhnlich aus Eschenholz, mit kurzer, zweischneidiger, eiserner Spitze, die beim Turnier, wenn nicht mit scharfer Lanze gekämpft werden sollte, durch eine kleine, stumpfe Krone ersetzt wurde. Am Schaft war meistens das mit dem Wappen des Ritters gezierte Banner befestigt. Nach unten wurde der Schaft dicker; am Ende, wo die Hand ihn umspannte, war er ausgekehlt; außerdem wurde die Hand durch eine Scheibe aus Eisenblech geschützt. Der Speer wurde als Stoßwaffe gebraucht; in wildem Laufe jagten die Ritter auf ihren Rossen mit wagerecht gehaltener Lanze aufeinander los. Es kam darauf an, den Gegner mit sicherem Stoße zwischen die Panzerschienen zu treffen und ihn zu durchbohren oder vom Pferde zu werfen. Waren die Lanzen zersplittert, begann der Schwertkampf.
Meistens hatten die Ritter ein festes Besitztum. Doch gab es daneben auch viele, die außer ihrem Ross und ihren Waffen kein Eigentum besaßen, und die darum von Land zu Land zogen, als Gäste bei anderen Rittern einkehrten und auf Kriegsdienst und Abenteuer auszogen. Man nannte sie "fahrende Ritter". Bald kamen wunderbare Erzählungen von Abenteuern in Umlauf, die solche Ritter bestanden haben sollten. Sie hatten nach den Volkssagen mit Riesen gekämpft, böse Zauberer, feuerspeiende Drachen bezwungen.
Wenn der sesshafte Ritter nicht in die Schlacht gezogen war oder der Jagd pflog, dann lebte er daheim auf seiner Burg, die bestimmt war, den Ritter und seine Familie zu bergen. Die Burg war entweder in der Ebene erbaut und dann durch die umgebenden Sümpfe, Flüsse und Gräben gegen andringende Feinde geschützt, oder sie lag auf hohen Felsen, die nur von einer Seite zugänglich waren. Die äußere Umfassungsmauer schloss den Vorhof oder Zwinger ein, in dem die ritterlichen Übungen abgehalten wurden. In den Vorhof gelangte man durch das feste Burgtor, vor dem sich ein tiefer Graben mit einer Zugbrücke befand. Diese wurde mit Stricken oder Ketten niedergelassen. War es geschehen, so hatte man sich beim Pförtner zu melden, der in der Nähe des Tores wohnte. Dies geschah, indem man ins Horn stieß oder mit einem eisernen Klopfring an das Tor pochte. Ein zweites Tor führte von dem Zwinger in den inneren Burghof. Bevor ein Feind dahin gelangt war, musste oft schon viel Blut vergossen werden. Waren die starken, mit eisernen Ketten verwahrten Torflügel gewaltsam geöffnet, so war das Fallgitter noch zu durchbrechen, ein aus Eisenstangen geschmiedetes oder aus starken Balken gezimmertes Gitter, das von dem über dem Tore befindlichen Turme niedergelassen werden konnte und bei seinem Fall oft viele Feinde erschlug. Häufig waren mehrere solcher Fallgitter im Tore angebracht. Über der Türöffnung befand sich oft eine sogen. Pechnase, ein erkerartiger Vorsprung mit einer Öffnung im Boden, durch die man den in das Tor dringenden Feinden Pech, siedendes Wasser usw. auf die Köpfe schüttete.
An das innere Tor schlossen sich die gewaltigen Ringmauern an, die oben ein Plattform und Zinnen hatten, deren Zwischenräume als Schießscharten dienten. Oft waren sie außerdem noch mit hölzernen Schutzdächern versehen. Hin und wieder, besonders an den Ecken, erhoben sich Türme auf den Mauern, aus denen man die letzteren von der Seite her mit Wurfgeschossen bestreichen konnte.
In dem inneren Burghofe standen die Wirtschaftsgebäude, sowie die Wohnungen für Knechte und Dienstleute. Das größte und hervorragendste Gebäude jedoch war der sog. Palas, der mehrere Stockwerke hoch und mit einem hohen, steilen Dach überdeckt war. Eine steinerne Freitreppe führte vom Hofe aus hinein. Über diese gelangte man in einen großen Saal, der sich von einem Ende des Palas bis zum anderen erstreckte. Hier hingen Waffen, Siegeszeichen und Ahnenbilder; hier bewirtete man die Gäste, lauschte den Liedern fahrender Sänger und verscheuchte, wenn draußen Sturm und Unwetter tobten, bei Schach- und Würfelspiel oder beim Becherklang die Langeweile. Der Fußboden war entweder gedielt oder mit Marmorplatten und Tonfliesen mosaikartig ausgelegt; in der Regel war er mit strohgeflochtenen Matten oder Teppiche bedeckt. An der kurzen Seite des Saales war der Fußboden etwas erhöht; es entstand eine Estrade, wo der Ehrensitz für den Hausherrn und die vornehmsten Gäste sich befand. Dort stand auch der reichgeschmückte Kamin. Der Mann wurde erleuchtet durch Wachskerzen auf kunstvoll geschnitzten oder schmiedeeisernen Kronleuchtern, die von der reich getäfelten Decke herniederhingen. An den Wänden standen ringsum Bänke, Schemel und mit Kissen belegte Truhen. Eigentliche Stühle gab es noch nicht. Um Tische herzustellen, legte man auf kreuzweis zusammengefügte Beine, die durch ein faltenreiches Tuch verdeckt wurden, eine mit einem weißen, durch goldene oder silberne Borten verzierten Tuche bedeckte eichene Tafel, die nach Beendigung der Mahlzeit wieder entfernt wurde*2).
Die Wände waren meistens einfach getüncht, in den Burgen wohlhabender Ritter dagegen reich bemalt oder mit Teppichen verhängt. In die eine Wand des Saales war der Schrank eingelassen, der das kostbare silberne und goldene Tafelgerät barg, in welchem der Ritter oft seinen ganzen Wertbesitz anlegte. Da die Mauern des Palas sehr stark waren, entstanden durch die Fensteröffnungen tiefe Nischen, die man mit steinernen, kissenbelegten Sitzen ausstattete, zu denen Stufen emporführten. Hier war der Lieblingssitz der Damen. In älterer Zeit wurden die Fensteröffnungen durch hölzerne Läden verschlossen, die nur bei linder Witterung offen standen. Später ließ man hölzerne Rahmen anfertigen, die mit dünngeschabten Hornscheiben oder mit ölgetränktem Pergament zum Durchlassen des Tageslichts bespannt waren. Nur die Fenster der Kapelle waren wohl aus teurem bemalten Glas hergerichtet. Das Erdgeschoß des Palas war gewöhnlich gewölbt und diente zur Küche und zur Aufbewahrung von Lebensmitteln. Die Wohnräume der Familie befanden sich in der Regel in besonderen Nebengemächern, die sich an den Palas anschlossen, und die, weil sie heizbar waren "Kemenaten" hießen (vom lat. caminus, Kamin). Hier waren namentlich der Aufenthaltsort der Herrin und ihrer Dienerschaft, sowie die Schlafgemächer und die Räume für die weiblichen Arbeiten.
Der wichtigste Teil der Burg war ein großer Turm, der "Bergfried". Von seinen Zinnen hielt der Wächter Umschau und verkündete ankommende Gäste oder Fremde mit lautem Hornesruf. Als letzte Zufluchtsstätte im Falle der Not stand der Turm in großem Ansehen. Er war höher als alle übrigen Teile der Burg, damit der Gegner ihn nicht so leicht durch künstliche Belagerungstürme erreichen konnte, und befand sich stets auf der Seite, von wo am leichtesten Angriffe zu befürchten waren. Die Mauern waren von ungewöhnlicher Stärke und aus Felsenquadern erbaut. Der Eingang war sechs bis zwölf Meter über dem Erdboden. Auf Leitern oder Treppen, die in Kriegszeiten abgebrochen werden konnten, gelangte man zu der Tür. Der untere Raum des Turmes bis zu dem Geschoß, in welches die Tür führte, diente als Gefängnis. Es war das "Burgverlies", das unter besonderer Aufsicht des Burgvogtes stand, hatte gewöhnlich die Gestalt einer runden Kammer, oder von einem Gewölbe verschlossen, war dunkel und unheimlich und diente Schlangen und Kröten zum Aufenthaltsort.
Der Gefangene wurde durch eine Öffnung im Gewölbe an einem Seile hinab gelassen; ein Krug Wasser und ein Stück grobes Brot war seine Nahrung. Die einzelnen Stockwerke des Turmes waren durch Balkendecken oder durch feste Steingewölbe voneinander getrennt. Sie dienten den Burgbewohnern im Falle der Not als letzter Zufluchtsort, und konnte man auch im Turme vor dem Feind sich nicht mehr halten, so führte oft ein geheimer unterirdischer Gang unter dem Burghofe und den Ringmauern die Fliehenden ins Freie.
Wenn der Burghof geräumig genug war, wurde dort wohl auch ein Garten angelegt. Der Brunnen war, wenn die Burg auf einem Felsen lag, von großer Tiefe und von Rasenplätzen und Lindenbäumen umgeben, unter denen jung und alt gern zu Spiel, Tanz und Kurzweil zusammenkamen. Auf der Burg durfte die Kapelle für gottesdienstliche Zwecke nicht fehlen; der Geistliche oder Kaplan war eine wichtige Person. Er war des Lesens und Schreibens kundig, besorgte alle Schreibereien und unterrichtete die Kinder des Burgherrn. In der Zeit der Not aber griff er gewöhnlich tapfer mit zum Schwert.
Da die Hauptaufgabe der Ritter in Kampf und Krieg bestand, war es natürlich, dass sie sich auch in Friedenszeiten im Waffenhandwerk übten. Dazu dienten die Turniere (vom franz. tourner, drehen, wenden), ritterliche Waffenspiel, die in Frankreich ihren Ursprung genommen und unter Friedrich Barbarossa auch in Deutschland Eingang gefunden hatten. Es waren festliche Kampfspiele, die bei besonders feierlichen Gelegenheiten, wie Kaiserkrönung, Vermählungsfesten oder anderen wichtigen Anlässen, veranstaltet wurden, und durch die den Rittern Gelegenheit geboten wurde, im Lanzenstechen und Schwertkampf ihre Tapferkeit und Geschicklichkeit zu beweisen. Sie fanden meistens auf einem Burghofe, dem Marktplatz einer Stadt oder auf einem abgesteckten Raum in freien Felde Statt. Dieser Raum war von Schranken umgeben; auf besonders erbauten Gerüsten oder vor den Fenstern der umliegenden Häuser saßen die Zuschauer, unter denen sich nicht wenige Frauen und Jungfrauen befanden, vor denen die Ritter am liebsten turnierten, und nach deren Beifall sie am begierigsten waren.
Bei dem Turnier, das Kaiser Heinrich IV. 1098 zu Nürnberg hielt, waren 7 Fürstinnen, 15 Gräfinnen und 6 Landedeldamen und 148 Frauen und Jungfrauen vom Adel anwesend. An dem Turnier beteiligten sich 13 Fürsten, 29 Grafen, 13 Freiherren, 68 Ritter und 497 Adelige. — Die Ritter, welche an einem Turnier, zu dem sie durch besondere Herolde eingeladen worden waren, als "Kämpen" teilnehmen wollten, meldeten sich bei den Turniervögten. Dem Turnier ging die sog. Helmschau und die Ahnenprobe voran. Die Waffen und Pferde der Kämpen wurden geprüft, ob sie den Turniervorschriften entsprachen; jeder Ritter musste nachweisen, dass er mindestens vier ebenbürtige Ahnen habe. Endlich wurde die Turniergesetze verlesen und der Turniereid geschworen.
Durch diesen verpflichteten sich die Ritter, nicht mit einem bissigen oder schlagenden Pferd auf dem Kampfplatz zu erscheinen, keine anderen als die vorgeschrieben Waffen zu führen, mit dem Schwerte nur zu hauen, nicht zu stechen usw. Waren alle diese umfassende Vorbereitungen vollendet, so verkündete das Schmettern der Trompeten und das Wirbeln der Pauken den Beginn des Turniers. Reichgeschmückt, in strahlende Rüstung gekleidet, worüber der reichgestickte Wappenrock herabwallte, mit wehenden Helmbüschen, das Visier herabgelassen: so zogen die Ritter auf ihren mutigen, mit prächtigen, wappengeschmückten Decken gezierten Rossen in die Schranken, wo sie der Grieswärtel, der Aufseher des Kampfplatzes, empfing. Ein Herold rief die Namen derjenigen auf, die sich zuerst gegeneinander versuchen sollten. Entweder kämpften ganze Scharen gegeneinander, oder es war, namentlich in den späteren Zeiten, ein Zweikampf, der sog. Tjost.
Auf ein gegebenes Zeichen sprengten die an den entgegengesetzten Enden des Turnierplatzes haltenden Kämpfer mit eingelegter stumpfer Lanze aufeinander los. Es galt, durch geschickte Wendungen mit dem Pferde die Schläge und Stöße des Gegners abzuwehren und ihn im gewaltigen Anprall aus dem Sattel zu heben oder ihm den Helm vom Haupte zu stechen. Meistens zersplitterten die Lanzen, und oft, wenn mehrere Male vergeblich das Lanzenstechen wiederholt war, so dass die aufwartenden Knappen ihren Herren keine neuen Speere zu reichen hatten, wurde der Kampf mit dem Schwerte ohne Spitze entschieden. Dann suchte man den Helmbusch oder den Schild des Gegners zu zerhauen, ihn durch Schwertschläge zu betäuben oder ihm durch Ringen das Schwert aus der Hand zu winden. War das Turnier beendigt, so erfolgte die Verteilung der Preise durch die Damen, nachdem die Preisrichter die Sieger bezeichnet hatten.
Unter dem Schalle der Pauken und Trompeten wurde der Sieg in jedem einzelnen Kampfe, der im Turnier ausgefochten worden war, demjenigen zuerkannt, der die meisten Speere verstochen oder die meisten Gegner "auf den Sand gesetzt" hatte. Der Preis bestand in einem Helm, einem Schwert, einer Kette oder einem anderen Kleinod und war des Ritters höchster Schmuck. Den Schluss des Turniers bildete ein munterer Festschmaus.
Oft kamen beim Turnier Verwundungen und gefährliche Unglücksfälle vor, indem der Speer durch die Rüstung in den Körper drang, oder der Kämpfer im Sturz mit dem Pferde sich schwer verletzte. Aus diesem Grunde schritt die Geistlichkeit schließlich gegen das Turnierwesen ein und versagte sogar den auf dem Turnierplatz Gefallenen ein ehrliches Begräbnis. Immerhin aber waren diese Kampfspiele ein vorzügliches Mittel, ritterlichen Sinn zu pflegen und wach zu erhalten.
Überhaupt war das Ritterwesen in den finsteren Zeiten des Mittelalters eine liebliche, wohltuende Erscheinung. In seiner Blütezeit war es der Hort tapferen Mutes und edler Gesinnung. Auch fand die Kunst des Singens und der Musik im Rittertum besondere Pflege. Ritterliche Edle zogen als "wandernde Sänger" von Hof zu Hof, von Burg zu Burg und ließen Ihre Lieder erklingen, in denen sie vor allem die "Minne", den zarten Dienst der Frauen, priesen, weshalb man sie die "Minnesänger" nennt. Doch noch anderen Inhalt hatten Ihre Lieder.
Sie sangen von Lenz und Liebe, von
sel'ger, goldener Zeit,
Von Freiheit, Männerwürde, von Treu und Heiligkeit;
Sie sangen von allem Süßen, was Menschenbrust durchbebt,
Sie sangen von allem Hohen, was Menschenherz erhebt.
Die bedeutendsten unter den ritterlichen Sängern aus edlem Geschlechte waren Walter von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach, Hartmann von der Aue, Heinrich von Beldeck, Heinrich von Osterdingen und Gottfried von Straßburg. Selbst Kaiser und Könige ergötzten sich, wenn sie von den ernsten Sorgen der Regierung ruhten, an ritterlichem Gesange, und unter Friedrich II. erreichte die vaterländische Dichtkunst den höchsten Grad ihrer Entwicklung.
Die schönste Blüte des Rittertums waren die drei geistlichen Ritterorden. Es waren Verbindungen von Rittern, die durch andächtigen Glaubenseifer und unerschütterliche Tapferkeit das Muster echt christlichen und ritterlichen Sinnes gewesen sind, nämlich die Johanniter, die Tempelritter und der deutsche Ritterorden.
Der Johanitterorden hatte seinen Ursprung genommen, als sich im Jahre 1048 mehrere Kaufleute aus Amalfi in Unteritalien zusammengetan hatten, um die Pilger zu unterstützen, die oft krank und hilflos in Jerusalem ankamen. Sie bauten zu diesem Zweck in der Nähe des heiligen Grabes ein Kloster mit einem Hospitale, in dem kranke und hilflose Pilger unentgeltlich verpflegt werden sollten. Als Schutzpatron dieser frommen und nützlichen Stiftung wurde Johannes der Täufer gewählt. Darum hießen die Ordensbrüder Johanniter, auch wohl Hospitalbrüder. Sie verpflichteten sich zu den Gelübden des Gehorsams, der Keuschheit und der persönlichen Armut. Ihr Name ward in der ganzen Christenheit berühmt, und damit sich immer mehr zu dem frommen Dienste finden möchten, schenkten ihnen manche wohlhabende Christen des Abendlandes Geldsummen und vermachten ihnen liegende Güter, um so zur Bekämpfung der Ungläubigen ein frommes Werk zu stiften.
Nach der Eroberung Jerusalems teilten sich die Ordensbrüder in drei Klassen: Ritter, Geistliche und dienende Brüder. Während die Geistlichen den Gottesdienst besorgten und die dienenden Brüder pflegend am Krankenlager der Pilger saßen, bestiegen die rüstigen Ritter das Ross, um mit dem Schwerte in der Hand die Wallfahrten gegen die überall an den Wegen auflauernden Sarazenen zu schützen. Ihre Ordenstracht war ein schwarzer, mit einem achtspitzigen, weißen Kreuze geschmückter Mantel. Lange behauptete sich dieser Orden durch Eintracht und Tapferkeit gegen die mohammedanischen Waffen. Als aber das heilige Land an die Türken verloren ging, flohen sie nach der Insel Rhodus, und als sie auch hier von den Feinden verrieben wurden, gingen sie nach der kleinen Felseninsel Malta. Darum haben sie auch die Namen Rhodiser und Malteser Ritter geführt.
Der Orden der Tempelherren entstand nach der Eroberung Jerusalems im Jahre 1118. Er wurde von acht französischen Rittern gestiftet, die sich vereinigten, um die Pilger durch Palästina zu geleiten und sie mit gewaffneter Hand gegen die Ungläubigen zu schützen. Ihren Namen erhielten sie von dem Platze, auf dem einst der Tempel Salomonis gestanden hatte, und der ihnen vom König Balduin eingeräumt worden war. Der Papst verlieh ihnen den Vorzug, als Sinnbild ihres blutigen Berufes ein rotes Kreuz auf ihren weißen Mantel zu heften.
Ungewöhnlich schnell stieg das Ansehen dieses Ordens, der größtenteils aus Franzosen bestand, und er gewann durch reiche Mitglieder und fromme Vermächtnisse beträchtliche Reichtümer. Die meisten ihrer Güter hatten die Tempelherren in Frankreich, und der große Reichtum reizte die Habsucht des französischen Königs Philipp IV. Er beschuldigte die Tempelherren der schwersten Verbrechen, ließ sie in ein hartes Gefängnis werfen und auf grausame Weise foltern, damit sie Geständnisse machen sollten, wie er es wünschte. Sogar der Papst leistete ihm dabei hilfreiche Hand; er beschuldigte den Orden der Ketzerei und erklärte ihn auf der Kirchenversammlung zu Bienne für aufgehoben. Der Großmeister Jakob Molay wurde im Jahre 1314 mit 54 Ordensrittern lebendig verbrannt; die Besitzungen des Ordens nahm der König an sich.
Auch der Deutsche oder Marienritterorden hat seine Entstehung den Kreuzzügen zu verdanken. Er wurde im Jahre 1190 von Deutschen gegründet, und nur deutsche Ritter konnten Mitglieder werden. Ihre Ordenstracht war ein weißer Mantel mit schwarzem Kreuze. Nach dem Verluste des heiligen Landes wandten sie sich nach Venedig. Von hier sandte der Hochmeister Hermann von Salza im Jahre 1227 eine Anzahl Ritter unter dem Landmeister Hermann Balk nach Preußen, den bald ein größeres Kreuzheer nachfolgte, um die heidnischen Bewohner dieses Landes für das Christentum zu gewinnen. Dreiundfünfzig Jahre führten sie hier blutige Kriege. Endlich eroberten sie das Land. Im Jahre 1309 wurde der Sitz des Hochmeisters von Venedig nach Marienburg verlegt, und seitdem dehnte der Orden sein Gebiet und zugleich die deutsche Kultur mehr und mehr aus, bis die Niederlage bei Tannenberg 1410 gegen den König von Polen seine Macht brach. Im Frieden zu Thorn 1466 verlor er Westpreußen an Polen und musste die polnische Lehnshoheit über Ostpreußen anerkennen. Im Jahre 1525 trat der Hochmeister Albrecht von Brandenburg mit dem meisten Ordensmitgliedern zur lutherischen Religion über und verwandelte das Ordensland in ein weltliches Herzogtum. Im Wiener Frieden (1815) wurde der Orden aufgehoben.
Quelle:
www.jadu.de